Mittwoch, 4. Dezember 2013

Im zweiten Anlauf ...

Ich bin eigentlich keine richtige 'Deutsche'. Ich habe zwar einen Staatsbürgernachweis - das ist übrigens bedeutsamer als ein Pass - und meine Lesesprache ist auch das Deutsche. Aber heimatlich fühle ich mich eigentlich nur im Bayern südlich der Donau. Dazu kommen noch ein paar Orte in- und außerhalb Europas, in denen ich eine Weile gelebt habe.

Die  DDR habe ich nur durch eine kurze Visite während der Weltjugendfestspiele 1973 in Ost-Berlin kennengelernt und auch durch einige Bekannte, die der DKP nahe standen. Da gab es für mich eigentlich nur eine Diagnose: spießig, piefig, eng.


Nach dem Ende der DDR habe ich einige Ort besucht, z.B. Dresden und Bautzen, den Harz mit dem noch unrenovierten Wernigerode und auch Dessau mit den Meisterhäusern und dem Bauhaus.


Als dann 2008 Uwe Tellkamps Roman 'Der Turm' erschien und die Besprechungen in den Zeitschriften Einblicke in dieses 'verlorene Land' versprachen, kaufte ich mir dieses ziemlich umfangreiche Werk. Ich nahm es mit in mein Winterexil nach Marokko.

Die Beschreibung der Heimkehr des jungen Christian aus dem Erzgebirgerler Internat ins winterliche Dresden war sehr atmosphärisch beschrieben - vulgo es war kalt, kalt, kalt. Die Heizungen bullerten dann, es gab allerlei zu erzählen über Treppenhäuser, Onkel und Tanten ....
Während ich am Rande der Sahara die Wärme der Wintersonne und den weiten Blick über die Wellen des Atlantiks genoss, führte mich dieses Buch in die Enge und Kälte dieses nordöstlichen Teils von Deutschland, der so gar nicht 'mein Deutschland" war. Ich gab auf.


Dann stand dieses Buch eine lange Weile im Regal und immer wieder sah mich der Buchrücken vorwurfsvoll an. 2011 war es dann soweit, ich fing noch einmal mit Seite 1 an .... und las gefesselt und fasziniert durch bis zum Ende.
Der Beginn des Buches ist das Geburtstagsfest des Vaters, ein mühsam organisiertes Fest, aber eben doch ein Höhepunkt im Leben der Familie, von dem aus es bis zum Ende des Buch nur abwärts geht: mit Christian, der Familie, dem Land. Christian muss - herausgerissen aus seinem bürgerlichen Kokon - durch eine Reihe von Vorhöfen der Hölle gehen und begegnet dabei eigentlich nur dem wirklichen Leben. Sein letzter Schritt ins Freie fällt mit dem Zerfall der DDR zusammen.
Tellkamps Sprache, sein detailreiches aber nicht langatmiges Schildern, sein auch in bitteren Zeiten immer wieder durchscheinender Witz machen die fast 1000 Seiten zu einem Gelände, auf dem man sich gerne aufhält und auch manches Stück gerne noch einmal genauer ansieht.

So ist mir nicht nur das Land, das einmal die DDR war, beim zweiten Blick erfreulich geworden.  Auch 'Der Turm' hat mich für den zweiten Anlauf belohnt. Bei der Auswahl einer kleinen Bibliothek für 'die Insel' würde ich dieses Buch in die engere Wahl ziehen.

mehr Info dazu:   http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Turm_(Tellkamp)






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