Dienstag, 12. Mai 2020

Ein Licht am Ende des Tunnels?



Mein Zeitgefühl ist dahin. Wenn man mich fragt wie lange ich nun schon aus Marokko zurück in Deutschland bin und mich fast nur in meiner Wohnung aufhalte, würde ich sagen: gefühlt ein halbes Jahr. Es sind aber 'nur' sieben Wochen. In der ersten Zeit kamen am Telefon noch die aufregenden Erzählungen über geglückte Heimreisen, dann sprachen alle von den Mühen ihres Hausarrestes. Besonders die Berufstätigen, die sich an das Arbeiten im 'home office' gewöhnen mussten, waren sehr erschöpft. Wie die Kaninchen auf die Schlange starrten wir alle auf die neuesten Zahlen: Neuinfektionen, Erkrankte, Todesfälle! Von den grauenhaften Bildern aus Norditalien geschockt hofften wir alle, dass Deutschland von einem solchen Geschehen verschont bleiben würde. Und so blieben wir brav zu Hause, besuchten niemanden, horteten Toilettenpapier und Nudeln. 


Spaziergängerin im Englischen Garten

Wie zum Hohn hatten wir den sonnigsten April aller Zeiten. Spazierengehen konnte ich schon, aber nur mit Mundschutz (dies war meine eigene Entscheidung).
Nachdem die schlimmsten Befürchtungen sich zum Glück nicht erfüllten verloren viele die Geduld. Unsere Lobbyisten und einige Politiker befeuerten in den TV-Sendungen das Gefühl es müsse schnell wieder auf 'normal ' umgeschaltet werden. 

Warten auf bessere Zeiten
Und so fing er an, der Wettlauf um die schnellste Lockerung aller Beschränkungen. Bayern - mein Bundesland - hat mit 341 die höchste Zahl von Infizierten pro 100.000 (Stand 12.5.20). In ganz Deutschland sind es 204, das nördliche Bundesland Mecklenburg-Vorpommern ist mit 45/100.000 am wenigsten betroffen. So erscheint es mir als sinnvoll, dass in Bayern die Lockerungen etwas später kommen werden als in den anderen Teilen Deutschlands - auch wenn viele es nicht verstehen, dass in einem föderalen Staat unterschiedliche Regelungen möglich sein können.
Die schönste Sache für mich ist, dass ich MORGEN zum Friseur gehen darf - mit Maske und ohne den üblichen Kaffee- und Zeitungsservice - aber endlich werde ich die Wolle auf meinem Kopf los.
Schön ist auch, dass wir uns wieder mit Freunden treffen dürfen, wenn auch mit beschränkten Zahlen und immer mit aller Vorsicht - Abstand halten!

Alle Läden sind auf - aber die Bürger haben irgendwie die Lust am Einkaufen verloren, schließlich sind die wirtschaftlichen Auswirkungen der Seuche gewaltig. Zum Glück fallen die Menschen nicht in die absolute Armut. Eine Krankenversicherung haben natürlich alle Arbeitslosen und es gibt vielfältige Hilfen, für Firmen, Selbständige, Kurzarbeiter und Künstler. Die Schuldenberge, die da aufgebaut werden, werden noch unsere Enkel abzahlen dürfen.


all dies hat nicht stattgefunden!

Bis zum Ende des Monats sollen nach und nach die Restaurants und die Hotels geöffnet werden. Tierparks und Golfplätze sind auch schon offen. Nur für Kinos und Theater - und Bordelle - gibt es noch keine Ankündigung, wann es wieder los gehen kann.
Der größte Schock für Bayern war sicher, dass das Oktoberfest - das große Bierfest - wie alle anderen Volksfeste abgesagt wurde. Für mich ist das kein Verlust, aber die Münchner Hoteliers und Taxifahrer leiden da schon sehr. 

auch die Segler dürfen wieder aufs Wasser
Ja und nun - wie geht's mir dabei? Ich sehe mit Schrecken, dass viele Leute die Maskenpflicht beim Einkaufen sehr locker sehen: dass Kontaktsportarten wie Fußball wieder erlaubt sind; dass eine nicht unerhebliche Anzahl von rebellischen Bürgern ohne jede Vorsicht an Demonstrationen gegen die Freiheitseinschränkungen teilnimmt. Das norditalienische souveräne Gebiet Südtirol will für den Sommer den Tourismus auch aus Deutschland wieder erlauben. Auch Österreich, Kroatien und die Türkei wollen - wie so einige andere vom Tourismus abhängige Länder- wieder Gäste in ihren Hotels sehen. Es ist wie eine Wette, die wir miteinander abschließen. Wer gewinnt: die Mutigen oder das Virus? Wir werden es bald wissen - und ich hoffe für uns alle, dass meine hasenfüßige Besorgtheit nicht Recht bekommt.

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