Samstag, 7. Dezember 2019

Last Exit Tanger




Seit nunmehr bald 20 Jahren verbringe ich einen guten Teil des Jahres in Marokko, wie so einige Europäer, die in diesem Land aus ganz verschiedenen Gründen eine Zuflucht finden. Bei mir ist es der kalte Winter und auch das hektische Leben in Deutschland, vor dem ich mich immer eine Weile in Sicherheit bringe.Uns Teilzeit-Expats gemein ist, dass wir über die Jahre erlebt haben, dass Freunde hier gestorben sind. So fängt man an darüber nachzudenken - so wie man als Europäer alles ein wenig regeln und planen will - wo man im Fall eines Falles begraben sein möchte.
Die marokkanischen Friedhöfe sind uns - so wir nicht Muslime sind - verschlossen. Es gibt jedoch eine kleine Zahl von Friedhöfen, die extra für "Christen" angelegt wurden, so z.B. in Essaouira und  - wesentlich neuer und größer - in Agadir. Dieser Friedhof in Agadir könnte einmal meine letzte Adresse werden, falls ich in Marokko sterben sollte.

Ein Bekannter, der viele Jahre in Tanger gelebt hat, hat sich dort schon ein Grab gesichert. Den Friedhof dort kenne ich schon lange, denn er liegt mitten im dicksten Getümmel der Stadt, oberhalb des Marktes am Grand Socco.

Quelle Wikipedia
Er verbirgt sich  hinter einer hohen Mauer auf dem Gelände der anglikanischen Kirche St.Andrews, die zur Diözese Gibraltar gehört.Großbritannien hatte zu Beginn des 20.Jahrhunderts zusammen mit Frankreich und Spanien den größten Einfluss auf die Stadt Tanger, so dass eine kleine Gruppe von englischsprachigen Kaufleuten und Abenteurern in der Stadt lebte und starb. Schon 1880 wurde mit dem Bau einer Kirche begonnen, die bald wegen der wachsenden Zahl der Gläubigen durch eine größere ersetzt wurde. 1905 schließlich wurde St.Andrews geweiht.

Vor einigen Jahren kam ich zufällig dazu, als dort der Ostergottesdienst gefeiert wurde - größtenteils von Schwarzafrikanern. Nach dem Gottesdienst, der mit  lieblichen  Gesängen gestaltet wurde, servierten die Damen auf dem Vorplatz ein Büffet mit bunten Kuchen.


Auch den freundlichen Priester der Gemeinde lernten wir kennen, er hatte den größten Teil seines Berufslebens bei der englischen Marine gedient und war nun froh, festen Boden unter den Füßen zu haben.

Credit: Michael Ivy


Auf dem Friedhof findet man eine Reihe illustrer Namen, darunter Walter Harris (1866-1939), Schriftsteller und  Korrespondent der Times, der u.a. mit El Raisuli, dem rebellischen Pascha von Asilah befreundet war. (links)



















Während des zweiten Weltkrieges wurde gefallene Soldaten aus England, den USA und Südafrika hier bestattet. Ihre Gräber werden von Gibraltar aus gepflegt und am Remembrance Day geschmückt.

Auch heute noch finden hier Bestattungen statt. Der Friedhof und die Kirche werden von einem marokkanischen Wärter beschützt und gepflegt.

Dieser Ort des Gebetes und der Erinnerung liegt inmitten des quirligsten Treibens der Stadt, nahe am Eingang zur Medina. Auch hier lernte ich, dass Marokko und seine Bürger Toleranz gegenüber seinen Gästen und deren Religion üben. Es ist also nicht so verwegen, auf eine friedliche letzte Adresse zu hoffen.



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